Hospiz- und Palliativversorgung – Ein Kompass durch die letzte Lebensphase

Die große Angst um unser Lebensende beruht zum großen Teil darauf, dass wir nicht wissen, was uns erwarten wird und welche Möglichkeiten der Unterstützung es überhaupt geben kann. Begriffe wie Palliativversorgung, Hospiz oder Sterbebegleitung sind Worte, die wir mit schwerer Krankheit und Sterben in Verbindung bringen. Doch was genau verbirgt sich dahinter? Was versteht man unter Palliativpflege, was kostet sie und wem steht sie zu?


Es gibt vielfältige Möglichkeiten einer unterstützenden, bedürfnisorientierten Begleitung – sowohl in Einrichtungen wie Hospizen und Pflegeheimen, aber auch beim Wunsch zuhause versterben zu können – am Sehnsuchtsort vieler. Dort gibt es mit einem Netzwerk an multiprofessionellen Fachkräften mannigfache Möglichkeiten der Entlastung für Sterbende und Zugehörige.

In diesem Blogartikel gebe ich dir einen verständlichen Überblick sowohl über die Begrifflichkeiten, als auch über die Möglichkeiten. Lass uns gemeinsam Licht ins Dunkel des Fachvokabulars bringen!


Die Inhalte dieses Blogartikels:


    In einer Nahaufnahme halten sich eine weibliche und eine männliche Hand fürsorglich vor ihren Oberkörpern.  Die Frau trägt ein hellblaues Blusenoberteil, der Mann ein weißes Hemd mit kleinen Sonnenbrillen.

    Fürsorge und Unterstützung trägt uns in schweren Zeiten (© Nani Chavez on Unsplash)

    Hospizkultur: Wo Fürsorge auf Lebensqualität trifft

    Beginnen wir ganz von vorne und in langsamem Tempo. Mit dem Begriff Hospiz verbinden wir nicht nur das Gebäude, also die Einrichtung, in der Menschen aus Versorgungsgründen ihre letzte Lebenszeit verbringen, sondern auch die Hospizbewegung. Sie ist eine Grundhaltung, in der sich Fachkräfte mit Menschen und deren Begleitung bei lebenszeitbegrenzenden Erkrankungen beschäftigen. Im Mittelpunkt stehen der kranke Mensch und seine Bedürfnisse ebenso wie die der An- und Zugehörigen. Also das Umfeld, das emotional berührt sein wird.

    Ursprünglich verstand sich die Hospizbewegung als eine Art bürgerliche Initiative gegen die sogenannte „Apparatemedizin“. Durch Spenden finanzierte Hospize waren Zufluchtsorte in denen vor allem Schmerzlinderung, pflegerisch-soziale Unterstützung, aber auch eine Offenheit für spirituell-existentielle Fragen stattfand. Ganzheitlich eben.

    Im Kontext der Begleitung und Versorgung am Lebensende fällt wie auch hier im Artikel oft der Begriff "palliativ". Das Wort kommt von ‘palliare’, stammt aus dem Lateinischen und meint ‘mit einem Mantel umhüllen’.

    Der medizinische Fachjargon unterscheidet zwischen kurativen und palliativen Ansätzen:

    • kurativ bedeutet, wenn eine Heilung, also die Wiederherstellung der Körperfunktion im Vordergrund steht (z.B. die Behandlung einer Lungenentzündung, eine Schildrüsen-OP o.Ä.)

    • palliativ hingegen meint, dass die Symptome einer nicht mehr heilbaren Krankheit gelindert werden (z.B. eine Schmerztherapie bei Schmerzen durch einen nicht therapierbaren Tumor)

    In der Palliativmedizin, der zugehörigen medizinischen Fachrichtung, geht es folglich darum einen anderen Blickwinkel innerhalb der Medizin einzunehmen. Palliativfachkräfte vertreten den ganzheitlichen Grundsatz, dass die Fürsorge Sterbender mehr umfasst als Medizin: Pflege, Aufmerksamkeit, Psychologie, Sorge um Körper und Seele, spirituelle Fragen in existentiellen Lebensphasen. Der englische Begriff ‘Palliative Care’ ist an dieser Stelle etwas breiter gefasst als im Deutschen.

    Der Fokus verschiebt sich vom Heilen aufs Lindern. Letztlich akzeptiert die Grundhaltung der Palliativversorgung das Zulassen des Sterbens, den natürlichen Lauf der Dinge. Es geht eben weniger um kurative Medizin mit lebenszeitverlängernden Maßnahmen, sondern um die Bedürfnisse im gesamten Umfeld des erkrankten Menschen. Zusammengefasst wird diese Haltung auch im Begriff der Bedürfnisorientierung.

    Die Definition der WHO von 2002 beschreibt die Palliativmedizin als einen „Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und Lindern von Leiden durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.“. So eine Erkrankung kann beispielsweise eine Krebsdiagnose sein.

     

    Wenn Heilung nicht mehr möglich ist: Wo hört Intensivmedizin auf und wo beginnt Palliativversorgung?

    Wie du oben schon gelesen hast, gibt es in der Medizin den kurativen und palliativen Ansatz. Beides hat seine Berechtigung und weder das eine oder andere ist richtig oder falsch. Sie bedienen unterschiedliche Situationen.

    Ähnlich wie ein Notarzt, der bei akuter Lebensgefährdung die lebenswichtigen Funktionen wiederherstellt oder erhält, liegt der Fokus auf einer Intensivstation darauf, dass sich der Zustand einer erkrankten Person in einer akuten gesundheitlichen Krise stabilisiert.

    Wie viel Therapie möglich ist und wie viel dabei ethisch vertretbar ist, ist eine äußerst individuelle, situative Entscheidung: je nach Heilungsmöglichkeiten und dem Wunsch der schwerkranken Patientin oder des Patienten nach lebensverlängernden Maßnahmen. Besteht keine Hoffnung mehr auf Heilung oder lehnt der Betroffene durch z.B. eine gültige Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht im Endstadium einer Krankheit medizinische Unterstützung ab, wird ein neues Therapieziel festgelegt.

    Anstelle der intensivmedizinischen Therapie tritt die palliative Behandlung. Palliativmediziner:innen haben sich darauf spezialisiert, Symptome zu lindern, die häufig mit schweren Erkrankungen einhergehen: Schmerzen, Luftnot, Übelkeit etc. Somit ist die Palliativmedizin auf die Behandlung von Menschen ausgerichtet, die sehr wahrscheinlich an einer Erkrankung sterben werden. Die Palliativversorgung ermutigt bedürfnisorientiert, indem sie uns sagt: „Wir können Sie nicht heilen, aber wir können eine ganze Menge für Sie tun.“

    Hinter den dürren Zweigen eines Busches zeigt sich verschwommen die untergehende Sonne im orange-violetten Abendlicht.

    Palliative Versorgung unterstützt dann bedürfnisorientiert, wenn sich das unausweichliche Ende eines Lebens ankündigt (© Ann Savchenko on Unsplash)

    Damit wir auf eine verbindliche Umsetzung der Betreuung im Palliativfall vertrauen können, gibt es seit 2010 die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland. Sie regelt in fünf Leitsätzen die Aufgaben, Ziele und Handlungsbedarfe, um diese Betreuung in Deutschland zu verbessern. Im Mittelpunkt steht dabei immer der betroffene Mensch und seine Bedürfnisse.

    Weil es bei uns in Deutschland gemessen an der Zahl der Einwohner:innen nur wenige Palliativstationen in Krankenhäusern oder stationäre Hospizplätze gibt und der Wunsch im liebgewonnenen Umfeld zu Hause zu versterben sehr groß ist, gibt es durch ambulante Hospizdienste mannigfache Unterstützungsangebote bis zum Eintreten des Todes bei schwerer Krankheit. Aber dazu später mehr.

     

    Wunsch und Wirklichkeit: Wo willst du sterben?

    Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wo du sterben möchtest? Laut dem Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes DHPV vom Jahr 2022 hat jede:r Zweite den Wunsch zu Hause zu versterben. In der Realität jedoch versterben fast die Hälfte (44 Prozent) im Krankenhaus. Zuhause zu versterben erachten 80 Prozent als würdevoll, in einer Einrichtung mit Palliativversorgung sogar 84 Prozent.

    Es geht nicht darum dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.
    — Cicely Saunders (1918-2005)


    Dieses Zitat stammt von Cicely Saunders (1918-2005), einer englischen Krankenschwester und der Begründerin der modernen Hospizbewegung, die eine Pionierin der Palliativmedizin war und in den 1960er in England das erste moderne Hospiz gründete.

    Die pflegerischen und medizinischen Maßnahmen haben das primäre Ziel die Lebensqualität der erkrankten Person zu verbessern, so dass der erkrankte Mensch schmerzfrei seinen (letzten) Weg erleben und schlussendlich ohne Schmerzen gehen kann. Und die An- und Zugehörigen Unterstützung bekommen, so dass sie selbst auch Kraft tranken können. Denn nur wem es selbst gut geht, kann für andere da sein. Sterben ist ein anstrengender Prozess. Er verlangt auch dem Umfeld viel ab.

    Palliative Fürsorge umfasst somit neben medizinisch-pflegerischen auch soziale, familiäre, psychische, spirituelle Aspekte. Diese Bandbreite darf ruhig unsere Entscheidung beeinflussen, wo wir selbst einmal sterben möchten, wenn es bei uns soweit sein wird.

    Es geht dabei zusammenfassend folglich viel um Lebensqualität. Sie kann dadurch erreicht werden, indem die Palliativversorgung sinnvollerweise recht früh in einen lebensbegrenzenden Krankheitsverlauf hinzugezogen wird – nicht erst zum Ende hin, wenn es ausweglos scheint. Je früher die Palliativversorgung zugeschaltet wird, desto eher können belastete Therapien reduziert werden. In England gelingt diese Integration bereits etwas optimaler, während es in Deutschland wohl noch ein wenig dauern wird, diese Haltung in der Praxis vollumfänglich in die Tat umzusetzen.

     

    Palliativversorgung in Deutschland: Die Vielfalt der Unterstützung in schweren Zeiten

    Grundsätzlich gibt es einige unterschiedliche Orte, an denen ein Mensch versterben kann. Dies ist abhängig von verfügbaren Einrichtungsplätzen, persönlichen Wünschen des Einzelnen, eigenen physischen und psychischen Ressourcen und der Art der medizinischen Versorgung, aber auch kulturellen Präferenzen.
    Die Versorgung von sterbenden Patient:innen kann an den im Folgenden genannten Örtlichkeiten stattfinden und hat keine „Reihenfolge im Ablauf der Einrichtungen“, denn jede Situation einer Erkrankung und das (familiäre) Umfeld sind individuell.

    Palliativstationen in Krankenhäusern oder Palliativzentren

    Eine Palliativstation ist eine an ein Krankenhaus oder Palliativzentrum angeschlossene Versorgungseinheit (eine fachlich spezielle Station) mit Rund-um-die-Uhr-Versorgung. Sie zielt darauf ab, dass die Patient:innen mit einer lebensbegrenzenden Erkrankung in eine andere stationäre Pflegeeinrichtung oder in ihre häusliche Umgebung entlassen werden können.

    Ein Infusionsbeutel hängt am dafür vorgesehenen Ständer vor einer graublauen Wand.

    Das primäre Ziel einer Palliativstation ist es akute Symptome zu lindern (© Marcelo Leal on Unsplash)

    Die Behandlung umfasst medizinische, körperliche und emotionale Aspekte: einerseits die Linderung schwerster Symptome und andererseits die Hilfestellung bei der Verarbeitung der Erkrankung. Wenn sich die Situation stabilisiert hat, kann der/die Patient:in in eine stationäre Einrichtung, die die längerfristige Pflege übernimmt (z.B. Hospiz oder Pflegeheim) oder nach Hause verlegt werden, wo sie/er durch die An- und Zugehörigen mit der Unterstützung durch einen ambulanten Hospizdienst und ggf. einer SAPV-Betreuung weiterversorgt wird. Dazu gleich im Folgenden mehr.

    In Deutschland gibt es etwa 350 Palliativstationen, davon 4 für Kinder- und Jugendliche (Stand: 03/2023).

    Ergänzend möchte ich an dieser Stelle die sogenannten palliativmedizinischen Konsiliardienste in Krankenhäusern erwähnen. Der Begriff kommt vom lateinischen ‘consilium’ für Beratung und darunter versteht man eine diagnostische und therapeutische Beratung durch eine medizinische Fachdisziplin. Beim Bedarf einer palliativmedizinischen Mitbehandlung einer (schwer-)kranken Person wird ein Team aus multidisziplinären Fachkräften (ärztlich, pflegerisch, psychologisch, sozialarbeitend etc.) auf die Station angefordert (z.B. Innere Medizin, Chirurgie), auf der ein:e Patient:in liegt – es wird ein Konsil einberufen.

    Stationäre Hospize

    Ein Hospiz ist eine wohnliche Einrichtung, in denen Schwerkranke und Sterbende (und oftmals auch ihre Angehörigen) außerhalb eines Krankenhauses ihre letzte Lebenszeit verbringen. Dies kann der Fall sein, wenn aus Versorgungsgründen auch mit externer Unterstützung durch z.B. den Hausarzt oder einem Pflegedienst ein Verbleib am aktuellen Ort (z.B. zuhause) nicht mehr möglich ist und der Tod in absehbarer Zeit stattfinden wird.

    Unabhängig von Vermögenssituation oder Religionszugehörigkeit steht diese Option allen Menschen zu. Die Voraussetzung für die Aufnahme ist eine fortschreitende und lebensbegrenzende Erkrankung, bei der keine Hoffnung auf Heilung besteht, die Erkrankten jedoch keine ärztliche Betreuung rund um die Uhr benötigen. Sie haben so aber eben die Möglichkeit bei einer unheilbaren Diagnose würdevoll sterben zu können. Ein stationäres Hospiz hat in der Regel durchschnittlich ca. 12 Betten.
    Im Rahmen des Hospiz- und Palliativgesetzes von 2015 werden die Kosten zu 95 Prozent von den Kranken- und Pflegekassen übernommen, die restlichen 5 Prozent müssen durch Spenden gedeckt werden. Seit einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2009 haben Patient:innen keinen Eigenanteil mehr zu leisten. Zur Finanzierung der Versorgung findest du weiter unten noch weitere Details.

    In Deutschland gibt es rund 260 stationäre Hospize für Erwachsene und 19 für Kinder und Jugendliche (Stand: 03/2023).

    Ambulante Hospizdienste

    Viele Menschen bevorzugen es, wie wir oben gesehen haben, in ihrer vertrauten Umgebung zu sein – umgeben von Familienangehörigen oder Freunden. Vielleicht stellst du dir nun die Frage, wie ein aufwändiger Betreuungsaufwand von Schmerzen und anderen belastenden Symptomen bewerkstelligt werden kann – nachdem du gerade gelesen hast, wie engmaschig die Betreuung bei einer lebensbegrenzenden Diagnose in einer Einrichtung ist?

    Genau an diesem Punkt setzt die Arbeit der ca. 1.500 ambulanten Hospizdienste in Deutschland an (Stand: 03/2023). Damit ein selbstbestimmtes Leben bis zum Ende im häuslichen Umfeld im Kreise der Liebsten möglich sein kann, vertreten ambulante Hospizdienste mit ihrem multiprofessionellen Netzwerk einen ganzheitlichen Ansatz. Das Aufgabengebiet umfasst insbesondere:

    • palliativmedizinische und -pflegerische Linderung von Schmerzen, die sich im Krankheitsverlauf durchaus täglich ändern können

    • Unterstützung von sozialrechtlichen Fragen (z.B. Hilfe bei der Organisation eines Pflegebettes)

    • ehrenamtliche Gesprächsangebote für die Sterbenden und zur Entlastung der An- und Zugehörigen durch ausgebildete Hospizbegleiter:innen

    Die Zielsetzung der ambulanten Hospizarbeit ist es, die Lebensqualität sterbender Menschen und ihrer An- und Zugehörigen auch im eigenen Zuhause zu gewährleisten. Die Betreuung übernehmen hauptamtliche Koordinationsfachkräfte, Pflegekräfte mit Weiterbildung zur Palliative Care-Fachkraft und qualifizierte Ehrenamtliche, die in der letzten Lebensphase zuhause im Familiensystem begleiten, entlasten und zuhören.

    Da die Anzahl der auf Palliativstationen und in stationären Hospizen zur Verfügung stehenden Betten gemessen an der Bevölkerung in Deutschland noch sehr begrenzt ist und so nicht jede:r Sterbende:r einen freien Platz bekommen kann, haben Menschen, deren sehnlichster Wunsch es ist, im gewohnten Umfeld versterben zu wollen, so eine bedürfnisorientierte Perspektive.

    Eine Mutter sitzt mit einem Baby im Arm und einem Kleinkind mit einem Tablet auf der heimischen Couch, dahinter ist unscharf die Küche zu sehen

    Der Wunsch seine Liebsten zuhause im vertrauen Umfeld bis zuletzt um sich haben zu können, kann Schwerkranken Lebensqualität und Hoffnung schenken (© Alexander Dummer on Unsplash)

    Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV)

    Lässt sich der sehnliche Sterbewunsch im Zuhause denn nun wirklich auch in Fällen schwerstkranker Personen ermöglichen, in denen eine ganz besonders komplexe und engmaschige Schmerz- und Symptombehandlung von Nöten ist?

    Damit mehr Menschen bis zuletzt zuhause leben können, hat der Gesetzgeber im Jahr 2007 veranlasst, dass jedem krankenversichertem Bürger die gleiche Versorgung zuhause (oder in einem Pflegeheim) wie auf einer Palliativstation zur Verfügung steht. Somit ist der individuelle Anspruch auch bei einem besonders aufwändigen Versorgungsbedarf durch ein komplexes Symptomgschehen gesetzlich geregelt. Gleichzeitig öffnet dieses Gesetz erfreulicherweise die Tür für den Ausbau und die Verbesserung der ambulanten Versorgung. Denn wie wir oben bereits mehrfach festgestellt haben, ist die Anzahl der verfügbaren stationären Plätze aktuell noch sehr begrenzt.

    Der Anspruch auf eine SAPV-Leistung besteht laut Kassenärztlicher Vereinigung, wenn eine Erkrankung gemäß allgemein anerkannter Behandlungsmaßnahmen nicht heilbar, trotz aller medizinischen Maßnahmen fortschreitend und weit fortgeschritten ist, so dass die begrenzte Lebenserwartung nach Einschätzung der/des verordnenden Ärzt:in eine definierte kurze Dauer umfasst.
    Die SAPV-Teams übernehmen die akute Schmerz- und Symptombehandlung bei unheilbarer, fortgeschrittener Krankheit und stehen mit regelmäßigen Hausbesuchen rund um die Uhr 24/7 und bei Notfällen zur Verfügung. Sie bestehen unter anderem aus speziell ausgebildeten Ärzt:innen und Palliativfachkräften.

    Verordnet wird diese Leistung nach einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses vom behandelnden Vertragsarzt in Absprache mit der/dem Patient:in bzw. deren/dessen Angehörigen.

    Aktuell gibt es in Deutschland rund 400 SAPV-Teams (Stand: 25.10.2021), laut dem Deutschen Kinderhospizverein 36 für Kinder und Jugendliche (Stand: 1/2023).

    Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass in unserer immer weiter alternden Gesellschaft auch Alten- bzw. Pflegenheime Ort sind, an denen Menschen versterben. Entweder aufgrund ihres Alters oder der damit in Zusammenhang stehenden Erkrankungen (z.B. Demenz-Erkrankungen). Aber auch zusätzliche Erkrankungen mit palliativen Situationen, die besonderer Pflege bedürfen. In diesen Fällen betreuen ambulante Dienste (mit der Option auf SAPV-Betreuung bei hoher Symptomlast) die Bewohner:innen der Pflegeheimen.

    Die Hand einer älteren Frau liegt mit angeschlossener Infusion auf einer weißen Bettdecke. Die Frau trägt am Ringfinder zwei Ringe mit weißen Edelsteinchen

    Spezialisierte ambulante Palliativversorgung ermöglicht engmaschige medizinische Betreuung (© National Cancer Institute on Unsplash)

    Finanzierung der Lebensqualität bis zuletzt: Wer trägt die Kosten der palliativen Versorgung?

    In Deutschland ist die Finanzierung der Palliativversorgung über eine gesetzliche Rahmenbedingung geregelt.

    Die Fürsorge in einem stationären Hospiz übernehmen zu 95% die Kranken-/Pflegekassen, die restlichen Kosten werden von den Trägern und über Spenden finanziert.
    Als ergänzende Anmerkung möchte ich dir noch mitgeben, dass die Krankenkassen die Kosten meist nur befristet für eine Zeit von 4 Wochen übernehmen. Diese Grenze gibt es, da die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in einem stationären Hospiz ca. 2-4 Wochen beträgt. Danach wird die Situation im Einzelfall neu bewertet. Für eine notwendige Verlängerung benötigt es verständlicherweise eine ärztliche Bescheinigung. Stabilisiert sich die gesundheitliche Lage der/des Erkrankten, wird gemeinsam mit den Angehörigen ein sogenannter „runder Tisch“ einberufen, um z.B. eine Verlegung ins häusliche Umfeld zu planen und bei plötzlicher Verschlechterung wieder ins Hospiz zurückkehren zu können.

    Die Leistung des Versorgungsangebotes auf Palliativstationen übernehmen die Krankenkassen.

    Die Leistungen der ambulanten Hospiz- und Palliativdienste, also die Beratung, Begleitung und individuelle Fürsorge, sind dank Fördergelder (wenn für den Hospizdienst eine entsprechende gesetzlich geregelte Voraussetzung erfüllt wird) kostenfrei für die Betroffenen. Die Arbeit der Hospizdienste trägt sich in Deutschland durch die Förderung der Gesetzlichen Krankenversicherungen sowie durch den Verband der privaten Krankenversicherungen. Einige Hospizdienste arbeiten rein ehrenamtlich.

    Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) setzt mittels einer ärztlichen Verordnung eine entsprechende Diagnose mit geprüfter Symptomlast voraus (z.B. starke Schmerzen, Atemnot, belastende Übelkeit). Auch diese Unterstützung wird von den Krankenkassen getragen und ist für die Betroffenen kostenfrei. Ebenso die 24-stündige Rufbereitschaft.

    Eine Hand überreicht einer anderen Hand ein schwarzes Herz aus Papier

    Die Kosten der Palliativversorgung sind in Deutschland durch Finanzierung und Förderung der Kranken- und Pflegekassen sowie durch Spenden und ehrenamtlichem Einsatz getragen (© Kelly Sikkema on Unsplash)

    Die grundsätzliche Beratung zum Thema, die Versorgung und auch ehrenamtliche Begleitung sind somit nicht mit privaten Kosten verbunden. Als Privatversicherte:r solltest du mit deiner Versicherung klären, wie die Kostenübernahme in diesem Fall von statten geht.

    Ist es nicht eine riesige Erleichterung fürs Herz, zu wissen, dass es durchaus einige Institutionen und praktische Hilfestellung gibt und, dass die meisten Angebote keine zusätzlichen privaten Kosten verursachen?

     

    Informationsquellen: Wo finde ich Anlaufstellen und Informationen bei Fragen zu Hospiz- und Palliativversorgung?

    Im Folgenden liste ich dir zunächst erste, allgemeine Anlaufstellen auf. Etwas weiter unten im Text findest du ergänzend weitere Anlaufstellen für Personengruppen mit pflegerisch spezialisierten Unterstützungsbedürfnissen.

    Allgemeine Anlaufstellen für eine kostenlose Erstberatung und Fragen aller Art

    Wenn du selbst oder eines deiner Familienmitglieder betroffen ist und ihr konkreten Bedarf für palliativpflegerische Versorgung habt, kannst du zuerst immer deine Haus- oder Fachärzt:innen ansprechen. Auch das zuständige Fachpersonal in einer örtlichen Einrichtung, eines Pflegedienstes oder einer Klinik kann behilflich sein. Und du darfst dich jederzeit ohne zu zögern mit all deinen Fragen und Unsicherheiten ebenso an ambulante Hospizdienste wenden.

    Hier noch einmal zusammengefasst (zur Übersichtlichkeit alphabetisch sortiert):

    Zudem kannst du beim Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland bundesweit über 3.000 Adressen und Angebote in neun Sprachen bekommen (Deutsch, Türkisch, Englisch, Arabisch, Französisch, Rumänisch, Polnisch, Vietnamesisch und Russisch). Und der Malteser Hilfsdienst bietet auf seiner Internetseite eine Postleitzahlen-Suche an, wenn du u.a. in deiner eigenen Krankheit Unterstützung benötigst, für einen schwer kranken Menschen Begleitung suchst oder für Zugehörige oder Familienmitglieder eines erkrankten oder sterbenden Menschen Hilfe wünschst.

    Bei ersten, allgemeinen und akuten Fragen zur Palliativpflege beraten diverse Anlaufstellen (© Van Tay Media on Unsplash)

    Es gibt Personengruppen, die in Bezug auf ihre Versorgung, Pflege und Begleitung zusätzlich besondere Unterstützung benötigen

    Ein umfassendes Angebot an Informationen und Hilfen für betroffene Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen findest du speziell beim Deutschen Kinderhospizverein e.V.

    Menschen mit Behinderung haben durch die 2009 in Deutschland in Kraft getretene Behindertenrechtskonvention das Anrecht bis zuletzt in ihrer vertrauten Umgebung begleitet werden und selbstbestimmt sterben zu können. In einer Publikation der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin findest du einen Leitfaden für Angehörige von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung bei einer fortschreitenden Erkrankung und am Lebensende.
    Der Christophorus Hospiz Verein München e.V. macht sich seit 2013 stark, dass auch Menschen mit einer geistigen, körperlichen oder psychischen Behinderung Beratung, Begleitung und Unterstützung erhalten. Diese meist zusätzlich komplexen Versorgungssituationen bedürfen oftmals spezielle Fachkenntnis. Der Verein bietet Organisationen, die Menschen mit Behinderungen betreuen, Fortbildungen zu medizinisch-pflegerischen, psychosozialen und ethisch-rechtlichen Themen sowie auch fachliche Unterstützung bei der Sterbebegleitung an.

    Menschen mit Migrationsgeschichte versterben in einer neuen Heimat, in der die Muttersprache und die Traditionen ihrer Ursprungsländer vielleicht nicht bekannt sind. Jede Lebensgeschichte und jeder Beweggrund der Zuwanderung bringt andere Rituale im Umgang mit dem Sterben, Tod und Trauer mit. Wenn wir von würdevollem Sterben sprechen, geht es also auch um individuelle Werte und Vorstellungen in Bezug auf das Lebensende und das Danach. In Anbetracht der wachsenden Anzahl an Menschen aus unterschiedlichen Kultur- und Religionsgruppen widmet sich die interkulturelle bzw. kultursensible (Sterbe-)Begleitung den individuellen Bedürfnissen von Migrant:innen – ihren Ritualen, Werten und Gebräuchen.

    Für Menschen aus der LGBTQIA+ Community kann die tiefe innere Sehnsucht nach wertschätzender Aufmerksamkeit gerade in Zeiten von gesundheitlichen Krisen oder Umbrüchen durch unheilbare Krankheiten eine zusätzliche Belastung darstellen. Das deutschsprachige Angebot und der sensible Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und queeren Lebensweisen für Menschen, die sich zur LGBTQIA+ Community zählen, scheint mir noch recht klein. Weiterführende Quellen, wenn du dich für dieses Thema interessierst, findest du zum Beispiel hier:

     

    Stell dir vor, du hättest nur noch 2 Wochen zu leben

    Eine seltsame Vorstellung, die viel gedankliche Überwindung kostet, oder? Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben und das Einlassen auf das Ungewisse, welche Pflege wir später einmal benötigen werden und wer uns wo pflegen wird, ist wohl eines der Themen, das um am meisten verunsichert.

    Die Sonne geht am Horizont in einem Himmelsverlauf von hellblau zu orange-gelb unter. Im Vordergrund eine Hecke mit Ästen ohne Blätter.

    Es gibt in Deutschland eine Reihe hilfreicher Angebote für die Situationen, in denen es ausweglos scheint (© Oc Gonzalez on Unsplash)

    Wenn Menschen und Familien in die Situation einer unheilbaren Krankheit kommen, sind nicht nur medizinisch-pflegerische Aspekte überwältigend, auch das seelische Leid durch die Konfrontation des Lebensendes und der Endgültigkeit sowie des bevorstehenden Verlustes eines lieben Menschen können enorm belasten.

    In diesem Artikel habe ich dir die wichtigsten Grundbegriffe der Palliativversorgung in Deutschland erklärt und aufgezeigt, welche stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen sowie Unterstützungsmöglichkeiten es im gewohnten, häuslichen Umfeld gibt.

    Wir dürfen uns im Falle einer eigenen Erkrankung, der eines Familienmitglieds oder lieben Freundes mit der gesamt-organisatorischen Situation durchaus überfordert fühlen. Wichtig und vor allen Dingen hilfreich und erleichternd für unser Herz ist es jedoch zu wissen, dass es bei uns in Deutschland eine ganze Reihe Unterstützungsmöglichkeiten gibt, die keine zusätzlichen privaten Kosten verursachen. Und auch das Ehrenamt in der hospizlichen Sterbebegleitung sei an dieser Stelle noch einmal als feste, kostenlose Säule erwähnt.

    Durch die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland sind die Aufgaben, Ziele und Handlungsbedarfe definiert, nach denen interdisziplinäre Teams, professionelle hauptamtliche Fachkräfte und ausgebildete Ehrenamtliche mit ihrem ganzheitlichen Ansatz agieren: es muss immer der betroffene Mensch mit seinen Bedürfnissen und sein Umfeld im Mittelpunkt stehen. Genau dies umschreibt auch Cicely Saunders, die Begründerin der modernen Hospiz- und Palliativbewegung, in ihrem bewegenden Zitat:

    Du bist wichtig, weil du du bist. Du bist bis zum letzten Augenblick deines Lebens wichtig. Und wir – dein ganz individuell geknüpftes Netzwerk – werden alles dafür tun, damit du dich nicht alleine fühlst, schmerzfrei sterben und somit bis zuletzt leben kannst.
    — Cicely Saunders (1918-2005)

    Es gibt viele Möglichkeiten, auch wenn nicht alle Ärzt:innen dahingehend unterstützen oder manchmal noch das Wissen in den ambulanten Diensten fehlt – wichtig ist die Aufklärungsarbeit und das Suchen nach hilfreichen Lösungen, wenn die Situation ausweglos scheint. Dazu möchte ich (m)einen Betrag leisten.

    Wenn du noch weitere, ergänzende Informationsquellen kennst, dann schreib mir jederzeit gerne und folge mir auf Instagram, wenn du es nicht eh schon tust. Ich freue mich!

    Alle im Blogartikel genannten Internetlinks wurden am 10.11.2023 abgerufen. Dieser Beitrag dient deiner Information und stellt ausdrücklich keine medizinische, sozialrechtliche oder juristische Beratung dar.

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